Abstimmungen vom 7. März 2021

1. Volksinitiative «Ja zum Verhüllungsverbot»:  NEIN

Die Initiative des SVP-nahen «Egerkinger Komitees», das schon die unsägliche Minarettverbots-Initiative zu verantworten hatte, will in der Bundesverfassung ein Verbot der Verhüllung des eigenen Gesichts festschreiben. Es macht geradezu Spass, über eine solche Initiative zu schreiben, wo bald die ganze Bevölkerung mit einer Maske zum Beispiel am Skilift ansteht. Gedacht war dieses Verbot natürlich für Musliminnen und für Vermummte an Demonstrationen. Das Verhüllungsverbot an Demonstrationen wurde unterdessen fast überall durchgesetzt, wenn auch nicht auf der Ebene der Verfassung. Neben dem Verhüllungsverbot will die Initiative auch, dass niemand eine Person zwingen darf, ihr Gesicht zu verhüllen. Immerhin sieht die Initiative Ausnahmen vor aus gesundheitlichen Gründen! Da haben die Schlaumeier wohl die aktuelle Pandemie vorausgeahnt. Bundesrat und Parlament stellen der Initiative einen indirekten Gegenvorschlag gegenüber. Dieser will eine Pflicht zur Enthüllung des Gesichtes einer Vertreterin oder einem Vertreter einer Schweizer Behörde gegenüber, der oder die gestützt auf Bundesrecht eine Person zur Erfüllung ihrer Aufgabe identifizieren muss. Dass die Initiative aus menschenrechtlicher Sicht abgelehnt werden muss, dürfte wohl klar sein. Aus juristischer Sicht scheint der Gesetzesentwurf von Bundesrat und Parlament unproblematisch zu sein, denn wenn das Gesetz eigentlich nichts bringt, so schadet es immerhin nicht. Der Gegenvorschlag allerdings legitimiert im Kern das Anliegen der Initiative, da er vorgibt, auf ein existierendes Problem eine Antwort zu geben, wo eigentlich gar kein Problem vorliegt. Wird die Initiative abgelehnt, so tritt dieser Gegenvorschlag nach einer Referendumsfrist in Kraft. Zur Initiative sagen wir NEIN! Die Initiative der SVP will die Zuwanderung stoppen und das Freizügigkeitsabkommen mit der EU kündigen, was die Kündigung der Bilateralen Verträge bedeuten würde. Im AVIVO-Info für die Monate März und April haben wird dies detailliert dargelegt. Das wichtigste Argument gegen die Initiative ist aber, dass dann auch die flankierenden Massnahmen zum Lohnschutz der einheimischen Arbeitnehmenden dahinfallen könnten. Wir sagen deshalb selbstverständlich         NEIN!

2. Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste (EID-Gesetz, BGEID) :  NEIN

Es besteht unzweifelhaft das Bedürfnis nach einer elektronischen Identifikation, die zum Beispiel den Abschluss von Verträgen im Internet legalisieren soll. Softwaredienste des Bundes versuchten sich an einer valablen Lösung, scheiterten aber und setzten sehr viel Geld in den Sand. Deshalb witterten die privaten Grosskonzerne Morgenluft und initiierten ein neues Bundesgesetz über elektronische Identifizierungsdienste. Sie plädieren für folgendes Vorgehen: Der Staat macht die gesetzlichen Vorgaben, gewährleistet die Richtigkeit der Daten und nimmt die Aufsicht über die Anbieterinnen der E-ID wahr. Er nimmt seine Gesetzgebungs- und Aufsichtskompetenzen wahr. Neben Verwaltungseinheiten der Kantone und der Gemeinden werden insbesondere private Unternehmen konkrete E-ID-Lösungen anbieten. Das ist wichtig, denn sie können schneller und flexibler auf die sich verändernden technischen Möglichkeiten und auf die Bedürfnisse der Konsumentinnen und Konsumenten reagieren. Diese Arbeitsteilung, wie wir sie namentlich im ganzen Telecom-Bereich schon lange kennen, kommt also den Nutzerinnen und Nutzern von E-ID-Lösungen zugute. Einmal mehr wird unwidersprochen behauptet, die Privatwirtschaft sei schneller und flexibler. Auch wird argumentiert, diese elektronische Identifikation sei kein Reisepass. Das ist heute noch richtig, aber es ist klar absehbar, dass in einiger Zukunft auch diese Aufgabe von diesem Instrument übernommen werden soll. Der Staat vergibt sich eine seiner zentralsten Aufgaben, nachdem er schon das Gewaltmonopol teilweise an private Organisationen abgetreten hat. Versprochen wird auch ein strengerer Datenschutz. Dies zu glauben fällt schwer. Wieso sind denn Grossbanken und Versicherungskonzerne an dieser Aufgabe interessiert? Selbstverständlich versprechen sie sich einen Zusatznutzen, sonst würden sie diese artfremde Aufgabe sicher nicht suchen. Für uns ist die Antwort zu diesem Gesetz klar, wir sagen         NEIN!

3. Bundesbeschluss über die Genehmigung des «Umfassenden Wirtschaftspartnerschaftsabkommens zwischen den EFTA-Staaten und Indonesien     NEIN

Das Freihandelsabkommen mit Indonesien ist weder für die Schweizer Kleinbauern noch für die Entwicklungszusammenarbeitsfachleute zu goutieren. Deshalb haben die Bauerngewerkschaft Uniterre, die JUSO, die Jungen Grünen, die Kleinbauernvereinigung und viele weitere Organisationen das Referendum gegen dieses Abkommen ergriffen. Stein des Anstosses ist die Palmölproduktion durch Indonesien. Das Land ist der grösste Palmölproduzent der Welt. Die Produktion ist eng verbunden mit dem grossflächigen Roden oder Abbrennen der Urwälder, was mit massiven Treibhausgasemissionen verbunden ist. Das Wirtschaftsabkommen mit der EFTA sieht zwar vor, «…dass es nicht unter Verletzung von Gesetzen, Politiken und Praktiken hergestellt worden sein darf, die den Schutz des indonesischen Primärwaldes, der Torflandschaften und weiterer Ökosysteme von besonderer Bedeutung bezwecken; die Luft und das Wasser vor Verschmutzung schützen; die Rechte der lokalen und insbesondere der indigenen Bevölkerung sowie der Landarbeitenden garantieren…». Tatsache ist, dass gerade diese Nachhaltigkeitsklauseln vom Schiedsgericht ausgeschlossen sind. Auch fehlen verbindliche Kontroll- und Sanktionsmöglichkeiten. Die indonesische Regierung selbst stellte in einer Untersuchung vom August 2019 fest, dass 81% der Palmölplantagen gegen staatliche Anforderungen verstossen. Illegale Tätigkeiten könnten hier zu Hauf angeführt werden. Klar, dass man so keine glaubhafte Nachhaltigkeitspolitik betreiben kann. Ein anderer Aspekt dieses Abkommens ist die Tatsache, dass Indonesien, statt gigantische Mengen an Palmöl zu produzieren, besser Nahrungsmittel für die lokale Bevölkerung anbauen würde. Exportierte Indonesien vor der Handelsliberalisierung Reis, so ist heute das Land gezwungen, gegen 2 Millionen Tonnen Reis zu importieren. Über 20% der indonesischen Bevölkerung leiden an Unterernährung. Nicht zu vergessen ist, dass die massenweise Einfuhr von Palmöl die Produktion von Rapsöl und von Sonnenblumenöl verdrängt. Deshalb sagen wir zu dieser Vorlage         NEIN!

1. Verfassung des Kantons Zürich (Änderung vom 17. August 2020; Anpassung Grenzwerte) :  JA

Es handelt sich um eine sehr komplexe, technische Fragestellung über Ausgabenkompetenzen zwischen Regierungsrat und Kantonsrat im Bereich der gebundenen und der wiederkehrenden Ausgaben. Ein Urteil des Verwaltungsgerichtes machte eine Gesetzeslücke offensichtlich, die mit diesem parlamentarischen Vorstoss geschlossen werden soll. Der Rat stimmte mit. Allerdings bedarf es einer unwesentlichen Verfassungsänderung und ist deshalb zwingend der Volksabstimmung zu unterbreiten. Gleichzeitig wird auch per Gesetzesänderung die Ausgabenkompetenz des Regierungsrates bei einmaligen Ausgaben von 3 auf 4 Millionen Franken erhöht und bei wiederkehrenden Ausgaben von Fr. 300’000 auf Fr. 400’000 erhöht. Der Rat stimmte dem Geschäft mit 82 gegen 60 Stimmen zu, wobei die Minderheit um die freisinnige Präsidentin der Finanzkommission nicht grundsätzlich gegen diese Änderung ist, es aber vorgezogen hätte zuzuwarten bis zur nächsten Teilrevision der Kantonsverfassung. Wir sagen hier          JA!

2. Sozialhilfegesetz (SHG (Änderung vom 15. Juni 2020; Klare rechtliche Grundlage für Sozialdetektive) :  NEIN

Man erinnert sich an ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte aus dem Jahre 2017. Das Strassburger Gericht hatte einer Zürcherin recht gegeben, die einen Eingriff in ihre Privatsphäre geltend gemacht hatte. Sie war in Verdacht geraten, eine Unfallversicherung zu betrügen, worauf diese die Frau von einem Privatdetektiv observieren liess. Dafür fehlte laut Urteil aber die gesetzliche Grundlage, weshalb die Berichte des Detektivs für nichtig erklärt wurden. Seither wurde auf den verschiedenen staatlichen Ebenen zum Teil recht konfus gehandelt, Gesetzesvorschläge eingebracht und wieder verworfen. Schliesslich hat der Kantonsrat des Kantons Zürich am 15. Juni 2020 ein Gesetz verabschiedet, das einer wesentlichen Verschärfung der bisherigen Praxis gleichkommt. So wurden die Rechte der Sozialhilfebezüger*innen stark eingeschränkt, da das bisher gültige, zweistufige Verfahren abgeschafft und gegen die konkreten Massnahmen keine Beschwerden mehr eingelegt werden können. Es ist dies der Hauptgrund, warum wir dieses Gesetz ablehnen. Das Gesetz verbietet aber auch den Einsatz von GPS-Trackern an Fahrzeugen und untersagt unangekündigte Hausbesuche bei Observierten. Dies ist der Grund für ein Gemeindereferendum durch 49 Gemeinden, die auf bisher illegal ausgeübte Überwachungsmöglichkeiten nicht verzichten wollen. Dieses Sozialhilfegesetz, das rechtstaatlich auf schwachen Füssen steht, lehnen wir ab und sagen         NEIN! 

3.  A) Kantonale Volksinitiative «Bei Polizeimeldungen sind die Nationalitäten anzugeben»
B) Gegenvorschlag des Kantonsrates zum Polizeigesetz (PolG)         2X NEIN

Die Initiative der SVP und der Gegenvorschlag des Kantonsrates sind beide ungeniessbar. Die SVP will einfach zusätzlich zur Nationalitätennennung auch noch Folgendes: «Ein Migrationshintergrund wird auf Anfrage bekannt gegeben, soweit die Information verfügbar ist.» Das ist natürlich absoluter Blödsinn; welche Amtsstelle wird wohl die nötigen Abklärungen treffen und bis zu welcher Generation soll man vorstossen. Aber auch der Gegenvorschlag des Kantonsrates, der die Nationalitätennennung stipuliert, ist unakzeptabel, weil rassistisch angehaucht. Wir sagen         2 x NEIN!

 

Bis zum Redaktionsschluss waren keine Vorlagen bekannt.