Die Herrschaft der Alten ist eine Erfindung der Plutokraten

Den herbeigeredeten Graben zwischen jung und alt gibts nicht.

Die rechten Kreise, genannt die «Bürgerlichen», habens drauf, auch mit Worten und eigenen Wortkreationen Angst und Unsicherheit zu verbreiten. Nun hat es ein neues Wort in den allgemeinen Sprachgebrauch geschafft: «Gerontokratie». Die Herrschaft der Alten.

Avenir Suisse bzw. ihr Mitarbeiter Lukas Rühli, der auch für das rechte Magazin «Der Schweizer Monat» schreibt, hat die Pensionierten als Gefahr ausgemacht. Er bezeichnet sie als «Transferempfänger», die als Mehrheit von der Minderheit der Steuerzahlenden finanziell ausgehalten werden muss. Weil das so ist und wir rein zahlenmässig zum gewichtigsten Stimmvolk heranaltern, warnt Avenir Suisse: «Dann dürfte eine weitere Verschlechterung des steuerlichen Umfelds auf demokratischem Weg kaum zu bremsen sein.»

Eine Horrorvorstellung für die Neoliberalen. Was also ist zu tun, um die zahlenmässige Übermacht der ins Alter gekommenen Babyboomer in der öffentlichen Wahrnehmung zu schwächen? Man dämonisiert sie, indem man suggeriert, unsere Demokratie würde demnächst zur Gerontokratie. Mehr noch, sie reden einen Graben herbei, der sich auftue zwischen den Jungen und den Alten. Die Strategie «teile und herrsche» der Machthabenden, das Finden und Benennen von Sündenböcken und das Ablenken des Fokus von wahren Problemen und ihren Ursachen hin zu Nebenschauplätzen, ist leider immer wieder erfolgreich.

So schreckt das Onlinemagazin Republik auf mit dem Titel «Die Schweiz droht zur Gerontokratie zu werden.» Liest man aber den Beitrag, widerlegt der Inhalt die Ankündigung gleich selber. Denn empirisch lässt sich einfach nicht nachweisen, dass wir Alten mehrheitlich und signifikant anders stimmen und wählen als die Jungen. Der Kanton Glarus hat das Stimm- und Wahlrechtsalter ab 16 schon vor zwölf Jahren eingeführt. Vorbildlich. Notabene mit der Zustimmung der sogenannten Gerontokraten. Seither habe sich an den kantonalen Abstimmungs- und Wahlresultaten spürbar nichts verändert, antwortet Michael Schüepp, Ratssekretär der Kantonsverwaltung auf Anfrage. Es gibt also politisch gesehen keine Herrschaft der Alten. Obwohl wir in der Überzahl sind.

Vielmehr wird unsere Demokratie zunehmend zur Plutokratie. Zur Herrschaft der Reichen bzw. zur Geldherrschaft. Davon will man mit der Lancierung der vermeintlichen Gerontokratie-Gefahr ablenken. Tatsächlich sind wir Babyboomer rein zahlenmässig die grösste Bevölkerungsgruppe. Doch erst jetzt im Alter werden wir zur Bedrohung. Zur ökonomischen. Denn die neoliberale Denkart, alles nach dem Kosten/Nutzen-Faktor zu beurteilen, ist zur Norm geworden. Das heisst, wir Alten werden unproduktiv, kosten nur noch und bringen nichts. Schlimmer noch. In den Augen der Avenir Suisse sind wir Schmarotzer. Denn Transferempfänger, als die sie uns bezeichnet, sind im volkswirtschaftlichen Sinn nichts anderes als Empfänger von staatlichen Sozialleistungen, für die sie vorher keine Beiträge eingezahlt haben.

Lassen wir uns also kein schlechtes Gewissen einreden im kommenden Abstimmungskampf um die AHV. Wir sind mit der Jugend solidarisch und kämpfen für eine Altersvorsorge, die auch ihnen später einmal ein Leben in Würde ermöglicht. Das bedingt, dass Unternehmen sich wieder als Teil der Gesellschaft verstehen und ihren Teil dazu beitragen. Den Kuhhandel, den die Parlamentarier ausgeheckt haben und über den wir im Mai abstimmen, ist faul und unsolidarisch. Auch gegenüber den Jungen.

Christa Löpfe

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